"Innovationen im TK-Dienstegeschäft"
Am 18. Mai 2005 veranstaltete das ZfTM im Gerhard-Mercator-Haus der Universität Duisburg-Essen einen Workshop, der dem Thema „Innovationen im Dienstegeschäft – Wachstums- und Differenzierungsimpulse durch neue Angebote und Prozesse“ gewidmet war. Auslöser der Veranstaltung war die Beobachtung, daß die Betreiber von Netzen zur Telekommunikation (TK) zunehmend Schwierigkeiten haben, mit ihrem bestehenden Diensteangebot zu wachsen. Deshalb bemühen sich TK-Netzbetreiber in der jüngeren Zeit verstärkt, gemeinsam mit Ausrüstern um Dienste-, Prozeß- und Vermarktungsinnovationen. Vor diesem Hintergrund beleuchteten neun hochkarätige Referenten aus unternehmenspraktischen, regulierungspolitischen und wissenschaftlichen Perspektiven zumeist an Beispielen die Entwicklung neuer TK-Dienste/-Prozesse und deren Markteinführung. Auf der Zuhörerseite war mit knapp 50 Workshop-Teilnehmern aus der Wirtschaft sowie ausgewählten Duisburger Studenten wieder eine überaus rege Veranstaltungsbeteiligung zu verzeichnen. Das enorme Interesse an dem Workshop führte im Veranstaltungsvorfeld dazu, daß die Begrenzung der Teilnehmerzahl abgeschwächt wurde, um dem großen Teilnehmerandrang gerecht zu werden.
Zum Auftakt des Veranstaltungstages gab der Gastgeber und Vorsitzende des ZfTM e.V., Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, einen informationsreichen Überblick zu „Innovationen als Wachstumstreiber von TK-Netzbetreibern und -Diensteanbietern“. In einem ersten Vortragsteil präzisierte Prof. Dr. Gerpott den Begriff „Innovationen“ und stellte Innovationsarten bei TK-Netzbetreibern/-Diensteanbietern im Überblick vor. Innovationen von TK-Netzbetreibern/-Diensteanbietern wurden insbesondere im Spannungsfeld von Kundenanforderungen, Regulierung und Standardisierung betrachtet. In einem zweiten Vortragsteil präsentierte der wissenschaftliche Leiter des ZfTM Beispiele aktueller Vermarktungs-, Dienste- und Netz-/Prozeßinnovationen in der TK-Wirtschaft.
Anschließend konnte der Förderkreis ZfTM e.V. bereits zum vierten Mal einen Vertreter der Bundesnetzagentur (BNetzA) als Referenten begrüßen. Friedhelm Dommermuth, Abteilungsleiter für ökonomische Fragen der Regulierung der Telekommunikation, setzte sich in seinem Vortrag mit der „Förderung oder Verhinderung von Diensteinnovationen durch Regulierung“ am Beispiel von Voice over IP (VoIP) auseinander. Dabei ging Dommermuth auf verschiedene VoIP-Geschäftsmodelle ein, bei deren Regulierung die BNetzA das Oberziel der Schaffung von Rahmenbedingungen verfolgt, die Raum für verschiedene Unternehmenspositionierungen im VoIP-Markt eröffnen. Anschließend erläuterte er die konkreten Regulierungsaktivitäten der BNetzA und der EU. Hier waren insbesondere die Themen Notruf, Numerierung, Entbündelung von DSL- und Telefonanschluß und Ermöglichung von Überwachungsmaßnahmen von großer Bedeutung.
Als zweiter externer Referent analysierte Andreas Lassak, Sales Director und Manager für den Bereich Professional Services bei MBT – Mahindra British Telecom GmbH – Europe, Off-Shoring als Mittel zur Geschäftsinnovation für TK-Netzbetreiber. Nach Lassak kommt die Auslagerung von Geschäftsaktivitäten an Partner im Ausland vor allem dann in Betracht, wenn diese Aktivitäten nicht geschäftsentscheidend sind, eine niedrige Interdependenz zu anderen Prozessen des TK-Netzbetreibers aufweisen und sehr personalintensiv sind. Diese These wurde anhand von Beispielen aus der Praxis erläutert. Lassak zog als Fazit, daß Off-Shoring als Konzept prinzipiell zwar nicht als Innovation einzustufen sei, aber in der konkreten Anwendung ein Managementansatz sei, um Spielräume für Innovationsprojekte an anderer Stelle im Unternehmen zu schaffen.
Im Anschluß befaßte sich Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender der Power PLUS Communications AG, mit „Technische[n] und kommerzielle[n] Innovationen als Motor zur (Re-)Etablierung von Powerline in Deutschland“. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis erläuterte Schönberg die Powerline-Technologie, welche auf vorhandene Stromnetzinfrastrukturen zurückgreift. Hierbei stellte er klar, daß Powerline-Zugänge in Deutschland nicht als Substitutionsdienst für DSL-Angebote, sondern primär als Nischendienst in DSL-freien Regionen zu vermarkten sind. Über Deutschland hinaus setzte sich Schönberg auch kurz mit der Powerline-Entwicklung in anderen europäischen Ländern und Bestrebungen der Europäischen Kommission auseinander, über die Förderung von Powerline als dritte Zugangstechnik neben DSL und Kabel mehr Wettbewerb in Ortsnetzen zu schaffen.
Im letzten Vormittagsreferat widmete sich Prof. Dr. Claus Sattler, Projektmanager bmco (Broadcast Mobile Convergence), dem Thema „Konvergenz von Mobilfunk und Fernsehen am Beispiel von DVB-H“. Prof. Sattler arbeitete die Digitalisierung von Netzen und Medien sowie zunehmende Fähigkeiten mobiler Endgeräte als Haupttreiber von Bemühungen zur Ergänzung von herkömmlichen Mobilfunkdiensten durch Rundfunkdienste für mobile Endgeräte heraus. Nach Meinung des Referenten stellt DVB-H eine Technologie dar, die eine Konvergenz von Mobilfunk und Mediendiensten unterstützt. Speziell durch mobiles Fernsehen werden Mehrwerte wie Personalisierung (personalisierte Dienste für Personen, nicht für Haushalte), Interaktivität (Integration der Nutzer in Inhalte und Verteilung; neue Formate) sowie Erreichbarkeit (TV-ähnliches Entertainment jederzeit und überall: Erhöhte Reichweite durch verzahnte Fernseh- und Mobilfunknetze) möglich. Aus welchen Erlösquellen DVB-H-Angebote finanziert werden können, ist nach Prof. Sattler derzeit noch nicht abschließend geklärt. Als mögliche Quellen verwies er auf Werbung, Zugangsentgelte, Entgelte für Downloads oder für Premium Messages.
Nach der Mittagspause setzte Carsten Otto, Senior Product Manager Non-Voice Access Products bei T-Mobile International AG & Co. KG, die Vortragsreihe mit einer Präsentation fort, die sich mit „Push to Talk als Diensteinnovation im Mobilfunk“ auseinandersetzte. Der Referent erklärte, daß Push to Talk (PTT) die Möglichkeit bietet, eine unmittelbare Kommunikation zwischen Gruppen von Mobilfunkteilnehmern mit einem Knopfdruck aufzubauen, also ohne Suche nach Rufnummern, Wählen und Warten auf den Verbindungsaufbau. Als Vorteile von Push to Talk-Diensten hob Otto deren einfache Handhabung, deren im Vergleich zu herkömmlichem Betriebsfunk größere regionale Reichweite und Kostenersparnisse hervor. Zielkunden für PTT-Angebote seien vor allem Unternehmen mit Mitarbeitern, die in mobilen Teams arbeiten (z.B. auf Baustellen), aber auch Privatkunden, die Wert darauf legen, intensiv mit einem geschlossenen Kreis von mobilen Bezugspersonen kommunizieren zu können.
Oliver Beier, Leiter Produktmanager Postpaid bei O2 Germany GmbH & Co. OHG, erläuterte im zweiten Nachmittagsvortrag „UMTS-basierte Angebote als innovativer Ansatz zur Integration von Mobilfunk- und Festnetzanschlüssen am Beispiel von O2 Germany“. Hierbei wies er darauf hin, daß O2 Germany mit dem Dienst Genion bereits seit mehreren Jahren seinen Kunden die Möglichkeit bietet, zwei Telefonnummern, eine Festnetz- sowie eine Mobilfunknummer, zu erhalten. Dadurch sei ein Kunde bei zu Hause eingehenden Verbindungen zu normalen Festnetztarifen für den Anrufer erreichbar. Gleichzeitig telefoniere ein Genion-Kunde im Radius von 500 Metern um den als Homezone angegebenen Bereich bei abgehenden Verbindungen mit seinem Handy zu den Festnetztarifen von O2. Beier verdeutlichte, wie O2 die technischen Fähigkeiten des eigenen UMTS-Netzes in dem Dienst surf@home zu nutzen beabsichtigt, um Kunden auch einen funkbasierten Internetzugang mit Bandbreiten von derzeit bis zu 384 kbit/s in deren Wohnung anbieten zu können und es ihnen so zu ermöglichen, ganz auf einen herkömmlichen Festnetzzugang zu verzichten.
Kaspar Dütting, Manager Operational Marketing bei Alcatel SEL AG, ging im Folgevortrag auf „WiMAX–Innovation im WMAN-/WLAN-Geschäft“ ein. Nach Meinung von Dütting stellt die IEEE 802.16-Standardfamilie eine konsequente Ergänzung zu heute verfügbaren Mobilfunk- und funkbasierten LAN-Technologien bereit. Der Referent differenzierte WiMAX-Anwendungsszenarien für stationäre und nomadische Nutzer. Zudem stellte er die Leistungsprofile von WiMAX, UMTS-HSDPA und ADSL2+ gegenüber. Nach Dütting ist ab 2006 mit einem massiven Anstieg der Nutzung von WiMAX-Zugängen vor allem in Ländern mit niedrigem Ausbaustand des herkömmlichen drahtgebundenen Festnetzes zu rechnen.
Stefan Lennardt, Vice President Corporate Communication bei ish GmbH & Co. KG, übernahm den Abschlußvortrag des Workshops zum Thema „Innovative Inhalte und Formate in digitalen Kabelnetzen: Der ish-Ansatz“. Lennardt verdeutlichte, daß sich das Innovationsmanagement bei ish kurzfristig auf die Vermarktung von digitalen Programmpaketen, schnellen Internetzugängen sowie Kabeltelefonieanschlüssen konzentriert. Seine Ausführungen ließen erkennen, daß vor allem beim Absatz digitaler Programmpakete innovative Marketingansätze zur Überwindung erheblicher Marktwiderstände hilfreich sind. In einem mehr längerfristigen Ausblick zeigte Lennardt grob auf, welche infrastrukturellen und angebotsbezogenen Veränderungen im Zuge der Entwicklung von IP-TV-Plattformen im Breitbandkabelgeschäft zu erwarten sind.
Aufgrund des überaus erfreulichen Verlaufs des sechsten Workshops – nicht zuletzt auch ein Verdienst der gewohnt hochkarätigen Sprecher – wird der ZfTM e.V. am 17.05.2006 einen Workshop zum Thema „Neue Wettbewerbsstrategien in der TK-Wirtschaft –Bandbreitenexplosion, Dienste- und Vertriebsinnovationen“ anbieten.